Mallorca nachhaltig reisen

Mallorca nachhaltig  – das Calvia Projekt

Mallorca – Beginn des Tourismus mit all seinen Versprechungen und Auswüchsen.
Die Insel gab sich seit den sechziger Jahren dem Massentourismus  hin, bis  Ende der Neunzigerjahre die Gemeinde Calvia begann ihre Bettenburgen  aufzuräumen, einige einfach wieder abzureißen
Damals war die Zeit offenbar nicht reif für weiter reichende Maßnahmen auf der ganzen Insel. Jetzt besinnt man sich auf Mallorca wieder auf die „Agenda21“ und was für die touristische Zukunft  daraus gelernt werden kann.

Es begann Ende der 90er Jahre spektakulär mit Bildern vom Abriss 12 Hotels und anderer touristischer Anlagen rund um Calvia.
Allerdings abgewirtschaftete 3 Sterne-Hotels, die nicht mehr Ansprüchen eines moderneren Tourismus taugten.
Überraschend war, dass sie nicht einfach durch größere Hotels ersetzt wurden. Stattdessen plante man mit der “Agenda21” ein Konzept zur teilweisen Renaturierung der Küstenlandschaft. Außerdem sollten mehr ausgabefreudige Touristen angelockt werden.

Qualitäts-Tourismus: Golftourismus als Flächenfresser

Mallorca nachhaltig reisen Calvia/Mallorca

Mallorcas rauere Küsten im Südwesten (Foto: Jorsch)

Die Grundlage des Calvia-Projektes war sicherlich aus der Not geboren. Auf Mallorca waren sich
die Inselregierung mit Einwohnern, Hoteliers und Gastwirte soweit einig – die Ausrichtung auf den Massentourismus hat ihre Grenzen. Der Umweltschutz war dagegen noch ein Randthema,
der Begriff vom nachhaltigen Tourismus noch unbesetzt.
Bis heute gibt es keine griffigere Bezeichnung für den Erhalt von Ressourcen und damit auch die
Grundlagen für die Zukunft des Tourismus.

Früher lebten die Mallorquiner vor allem von der Landwirtschaft, diese wurde auch durch den extrem zunehmenden Hotelbetrieb( ca. 288.000 Gästebetten, Stand 2018)immer schwieriger.
Die Mandel und Olivenpflanzer klagten über die kaum rentable Landwirtschaft;
sinkende Weltmarktpreise und höhere Kosten für die Wasserversorgung. Das Trinkwasser musste für die Insulaner immer häufiger per Tankschiffen vom spanischen Festland angefahren werden.
Die jüngeren wollten auch keine hart arbeitenden „Campesinos“ mehr sein und zog es auf das Festland um moderne und besser bezahlte Jobs zu finden. Inzwischen ist solch familiäres Erbe wieder beliebter geworden; Fincas und Restaurants im Landesinnere werden zu „Geheimtipps“ für den hochwertigeren Tourismus. Die anderen finden Arbeit auch eher an Mallorcas Küste als dem spanischen Festland mit seiner sehr hohen Jugendarbeitslosigkeit. Aktuell immer noch über 20%, etwa doppelt so hoch wie der Insel, viele nur befristet beschäftigt und daher sind das nur Zahlenspiele . Ähnlich beim Bruttoinlandsprodukt(BIP)auf Mallorca, angeblich hängen ca 38% direkt oder indirekt vom Tourismus ab.

Den Südwesten Mallorcas veränderte der Strukturwandel zum nachhaltigen „Qualitätstourismus“

Der Wandel war nicht immer Ökologisch sinnvoll. Die Ansiedlung von Golf-Resorts benötigt nicht nur einen extrem hohen Wasserverbrauch, sondern auch Bauland für die umliegenden Zweitwohnungen („Residencias“). Luftbildaufnahmen zwischen 1994 und 2004 von
Puig de sa Sirvi(Nova Santa Ponsa)zeigen die Zersiedelung mit 4-spurigen Zufahrtstraßen zur dortigen Golf und Residenzialregion.
Besonders begüterte Neu-Mallorquiner kauften gleich ganze Küstenabschnitte für ihre Villen.
Die Inselregion wandelte sich zunehmend zum Privatbesitz von Millionären, auch dagegen wehren sich die Mallorquiner.

Im Südwesten Mallorcas liegt auch die vorgelagerte Insel Sa Dragonera,
hier sollten vor 40 Jahren noch 4.500 Ferienbetten entstehen. Die Bebauung aber damals verhindert; die Inselregierung kaufte 1987 die „Dracheninsel“ und erklärte sie 1995 zum Nationalpark. Heute ist es ein kleines Refugium für begrenzten Naturtourismus geworden.

Der Mallorca-Sommer wird verlängert und geht jetzt bis Oktober

2016 kamen erstes Mal so viele Touristen im Oktober wie in der Hochsaison, berichtete die spanische Tageszeitung Ultima Hora.
Zur Nebensaison sind dann auch die Unterkünfte auf ganz Mallorca zu 95% ausgebucht.
Palmas Flughafen meldete am ersten Oktoberwochenende ca. 400.000 Passagiere. Eine Zahl, die in den vergangenen Jahren im Juli und August, aber noch nie Anfang Oktober registriert wurde. Vor allem deutsche Touristen zieht es auch im Herbst nach Mallorca. Insgesamt rund 4,5 Millionen im Jahr 2017, ein Plus von 6,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, teilte das Spanische Fremdenverkehrsamt auf der Reisemesse ITB
in Berlin mit. Damit stellten die Urlauber aus Deutschland fast die Hälfte aller ca. 10,3 Millionen Mallorca-Besucher (in der Presse finden sich oft auch Zahlen zwischen 13-14 Millionen, da wird gern Balearen vermengt).

Mallorca-Touristen zahlen für Umweltschutz seit 2016 auch mit der Touristenabgabe

diesmal für ganze Balearen eingeführt.
Dadurch wären laut Tourismusministerin Isabel Busquets im ersten Jahr schon rund 100 Millionen Euro zusammengekommen.
Neben Umweltschutz werden Einnahmen nun auch für Erhalt des kulturellen Erbes verwendet.
2017 war auch das „Internationale Jahr des nachhaltigen Tourismus“. Die Generaldirektorin für Tourismus der Balearen nahm dies zum Anlass,  man solle über das Jahr hinaus in die Zukunft denken.
Diese erlebte sie aber nicht mehr, bereits Monate später trat sie wegen Verdachts der Vorteilsgewährung zurück. Hintergrund ist „Diskotheken-König“ Bartomeu Cursach und Baugenehmigungen in Calvia. Die Großraumdiskotheken in Magaluf gehören zum Brennpunkt für den
dortigen Massentourismus – deren Verbindungen und Auswüchse.
Mit dem neuen Umwelt-Konzept „Calvià2000“hatte der Stadtrat von Calvià immerhin endlich Normen für die Abfallwirtschaft eingeführt.
Das erste auf den Balearen, das als Corporate Social Responsibility (SGE21) zertifiziert wurde (Europäische Norm, für ethisch und sozial verantwortliches Management). Alles Saatgut für das wachsende Bewusstsein für den Umweltschutz.
Im Jahr 2000 wurde bereits zeitweise eine „Ecotasa“ eingeführt, die „Öko-Steuer“ von Hoteliers, Touristen und deutschen Boulevardpresse
aber noch verschmäht. Die Touristenzahlen nach Mallorca gingen kurzzeitig drastisch zurück(siehe Grafik).


Der stetige Anstieg der Tourismuszahlen für Mallorca, nur kurz unterbrochen durch die Ölkrise(1973), Einführung Ökosteuer im Jahr 2000 und gebremst während der Finanzkrise 2007/08. Inzwischen scheint der vorläufige Zenit erreicht.

Balconing statt Balkonien

Das Sicherheitsbedürfnis war in den 60er-Jahren noch auf gelungenen Charterflug begrenzt( erleichterte Touristen klatschten noch viele Jahre lang nach der Landung). Balkonien war noch das Reiseziel der daheimgebliebenen. In Magaluf und an der Playa de Palma gefährden sich inzwischen junge Partytouristen durch nächtliche Balkon-Klettereien. Das überklettern der Hotel-Balkone, oder gar von dort in den Pool springen, ist nach einigen Unfällen daher verboten worden. Lautes herumgrölen und Sangria aus Plastikeimern zu saufen ebenfalls.
Das Schmuddel-Image wird Mallorca nachhaltig wohl nie mehr ganz los, dafür sorgen auch solche Meldungen. Das Schilder allein wenig helfen
ist ja auch kein auf „Ballermann“ beschränktes Problem. Die Strandbar heißt jetzt auch nicht mehr (richtig)“Balneario6“, sondern wie die anderen nun auf edler gemachten Strandclubs. „Beach Club Six“, das klingt hipper.
Hotels werden verstärkt renoviert, kleine Zimmer werden zusammengelegt und bekommen einen Stern mehr(was früher aus steuerlichen Gründen eher vermieden wurde). Selbst die Playa de Palma will weg vom „Billigtourismus“-Image, zeigt sich wieder Familienfreundlicher.

„Obergrenze“ jetzt auch für Mallorcas Touristen

Die Touristenmassen und die zunehmende Vermietung von privaten Wohnungen an Touristen und Zweitwohnsitzen(„Residencias“)
führte in den letzten Jahren zu immer mehr Protesten.
Inzwischen nicht nur „Tourist go home“-Graffitis, sondern auch Demonstrationen in Palma.
Etwa 10,5 Millionen Touristen besuchten 2017 Mallorca, davon allein Palma sechs Millionen Gäste.
Die Einwohner meiden inzwischen die früher beliebte Rampla, und die überfüllte Altstadt leidet unter Lärm, Müll und stark steigenden Lebenshaltungskosten. Seit 2013 sind die Mieten im Schnitt um 40 Prozent gestiegen. Eine kleine Altstadtwohnung
kaum noch unter 1000€ zu bekommen, da drohen venezianische Verhältnisse.
Für diese Entwicklung macht der Bürgermeister vor allem Vermietungsplattformen wie Airbnb verantwortlich.
Daher will Antoni Noguera die Zahl der Gästebetten auf ca. 64.000 reduzieren. Mit dieser „Obergrenze“ soll
vor allem der Touristenansturm im Sommer eingedämmt werden. Die Zahl der Gästebetten in Hotels, Ferienwohnungen
und Kreuzfahrtschiffen war 2017 auf rund 80.000 gestiegen. Damit erreicht die Bettenzahl etwa das Niveau von 2005.
Das prägt auch die Entwicklung zwischen 2005 – 2015 auf ganz Mallorca. 2015 zählte Mallorca
1639 Beherbergungsbetriebe, nur noch 2,7 Prozent mehr als 2005, mit 288.745 Betten (plus 0,8 Prozent).
An der Spitze die Tourismusgemeinde Calvià mit knapp 60.000 Betten.

Mallorca Tourismus nachhaltig

Mallorcas Südwestküste ( Foto: Jorsch/textreisen.de )

Wohin geht Mallorcas Reise ?

Der Regierungswechsel 2015 zu einer linken Koalition hat die politische Ausrichtung des Tourismus mitgeprägt (und wohl auch zu ihrer Wahl geführt). Die Diskussion über Mallorcas nachhaltigen Tourismus wird angeregter geführt und mehr (tatsächliche)Bereitschaft bei der Bevölkerung für regulierende Maßnahmen erwartet. Bei allen und nicht nur die etwa 200 Mallorquiner , die 2017 mit Rollkoffern und „Pallea, Paella“ grölend durch Palmas Altstadt zogen. Insgesamt ist unter der Bevölkerung angeblich die Mehrheit weiterhin für Wachstum(82% laut Umfrage 2016, Quelle: Balearisches Statistikinstitut Ibes. Die Vorteile überwiegen noch zu süßlich auf einer Insel, bei der ca. 40% ihres BIP(Bruttoinlandsprodukt) vom Tourismus abhängt. Auch die Umweltschutz-Restriktionen sollen offenbar diesmal sanfter als zum Jahrtausendwechsel ausfallen. Die Gesamtzahl der Gästebetten von aktuell ca. 280.000 für Mallorca aber begrenzt werden.
Mallorcas Regierung hat in den letzten Jahren das öffentliche Transportsystem immer weiter ausgebaut, die Zahl der Mietwagen steigt trotzdem weiter. Auch hier soll eine Obergrenze gesetzt und umweltfreundlicher aufgestellt werden. Die Pläne für die Straßenbahnlinie von Palma de Mallorca und Palma-Strand sind wieder auf dem Tisch, diese sollte schon 2011 gebaut sein. Dazu der weitere Ausbau von Bahnstrecken,
Elektro-Ladestationen für Fahrzeuge und E-Bikes.
Außerdem die Saison-Verlängerung bis hinein in den Winter. Eine nachhaltige Umkehr zu weniger Tourismus ist das allerdings noch nicht.

Rückgang der Touristenzahlen für Mallorca ?

Zwischen 2017 und 2018 prägte viele negative Schlagzeilen aus Mallorca; sterbende Mandelbäume und Palmen durch Schädlinge, Überschwemmungen, Overtourismus und den Protesten der Mallorquiner. Dass die Touristenzahlen von Mallorca seit vielen Jahren erstmals stagnierend, aktuell sogar leicht rückläufig, liegt aber vor allem an Rückkehr touristischer Ziele wie Türkei und nördliches Afrika(Ägypten, Tunesien). Die Ankündigung die Touristenabgabe 2019 zu verdoppeln, wirkt ebenso bereits bremsend für die Mallorca-Neubuchungen aus, melden die Veranstalter.
Die Einnahmen, da Touristenströme qualitativer strukturiert, müssen dabei nicht sinken, die Hotels weiter über 90% ausgebucht,
jetzt fast auf ganzer Saison.

Erholung für die Insel versprechen aber erst die nachhaltigere Umwandlung hin zu mehr Rad und Wandertourismus.
Mehr Besucher die länger bleiben, dabei schonender reisen. Diese Reisegäste sind meist auch mehr an kulturellen Begegnungen interessiert.
Dafür können noch so manche Hotelklötze abgerissen werden.

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