Zu Fuß von München nach Tibet, Nachhaltiger Reisen geht nicht.
Für Stephan Meurisch nur eine Etappe, denn der ewige Weg ist hier mehr als das Ziel.
Am nasskalten Morgen im März 2012 setzte Meurisch nach der Feier zu seinem 31. Geburtstag die ersten schweren Schritte von der Münchner Innenstadt Richtung Tibet. Zuvor war er schon mehrere Marathons gelaufen, und den spanischen Jakobsweg. Diesmal sollte alles zu Fuß erschlossen werden, und wenn es zwei Jahre dauert – oder eben länger.

Der Jakobsweg in Spanien hat sich inzwischen zu einem trendigen Pilgerpfad entwickelt Die Ruhe und innere Einkehr findet hier aber noch, wer sie sucht. Für Meurisch war das 2009 eher ein Warmlaufen. Er traf unterwegs einen älteren Mann, der schon aus Linz loslief, dabei bereits 3000 km hinter sich ließ.
„Mit 66 Jahren ist es an der Zeit etwas verrücktes zu tun“, lachte es aus ihm..
Das imponierte Meurisch. Allerdings wollte er nicht bis zu seinem Rentenalter warten, und ob er dann noch so aktiv dafür sein würde. Der eigentliche Entschluss zur Konsequenz reifte dort, das fiel ihm auch in unserem Gespräch auf. Ob er eine religiöse Eingebung hatte, auch bei seinen späteren Touren, lässt Meurisch offen. Er verweist lieber auf die spirituelle Verbindungspunkte zwischen Ereignissen, die oft erst im Nachhinein eine Linie und ihren Sinn erschliessen.
Mentor ist hier eher der irdische Steve Jobs, der Apple-Gründer hatte in seiner Rede vor der Uni in Stanston von diesen Verbindungen gesprochen. Dankbarkeit überkam ihm oft für die Erlebnisreichen Tage, und dafür auch gesund zu bleiben. Nach einem Jahr kündigte Meurisch seine letzte Versicherung, den Auslandskrankenschutz hatte er nie benötigt, wäre zu zufrieden um krank zu werden.
Eine Sinnkrise oder ein Verlust einer Beziehung stand nicht zu Beginn, eher ein Tatendrang. Das ist ein Punkt den die meisten schwerer verstehen mögen, wobei das Verharren und weit Verschieben bei diesem Menschenschlag dann auch zu Unzufriedenheit führt. Das schadet ja auf Dauer dann allen.
Der Weg lange hinfort von seiner Freundin fiel ihm glaubhaft schwer. Es erinnerte mich an das Künstlerpaar Marina Abramović und Ulay, die den umgekehrten Weg gingen. Sie liefen bei ihrer Trennungs-Performance „TheLovers“ jeweils 2400km von Westen und Osten der Chinesischen Mauer aufeinander zu, um sich in der Mitte zu treffen und voneinander zu verabschieden.
Fesseln lassen sich solche Menschen ungern, aber sie können gereifter, und dann auch bereiter für den anderen zurückkommen. Im Gespräch habe ich diese privatesten Fragen ausgelassen.

Die vorherigen Anstellungen als Elektriker und Versicherungsvertreter, am Ende Verkäufer in einem Münchner Outdoorgeschäft, waren alles Stationen. Er plane diesen Weg nicht, lebe im Jetzt.
13000 Kilometer durch 13 Länder, und kein Ziel mehr. Aus zwei werden vier Jahre.
Das Konzept der Reise ohne Geld benötigte immer wieder das Zugehen und Anfragen für eine kostenlose Nächtigung(das mitgeführte Kleinzelt musste er fast nie aufschlagen). Er bot dafür und für Essen auch immer wieder seine Mitarbeit an. Zeit war ja dagegen genug vorhanden, aber wenn er von seiner Reise erzählte, oder Artikel über sich zeigte, damit man ihm glaubte oder um sprachliche Barrieren zu überwinden,
bekam er oft noch die Wegzehrung umsonst.
Unterwegs traf er bei Zimmeranfragen auch auf eine Lehrerin und erklärte wiederum von seinem bisherigen Weg. Die Dame hatte nicht nur Hilfe für ein Zimmer, sondern eine Bitte: „Erzählen sie das morgen doch noch mal; den Kindern in der Schule“.
So wird er vom Langstreckengeher zum Geschichtenerzähler und Motivator, sicherlich auch für einige der Kinder.
So findet Meurisch immer wieder Arbeit, verlängert damit seine Reise. Im Iran, Indien, Rumänien und der Türkei bleibt er gleich mehrere Monate, ganz nebenbei Deutsch und Englisch lehrend. Fachgebiet Sprache und Leben.
Dabei lernt er gerade selbst die Welt und seine Stereotypen erst besser kennen.
Gastfreundschaft und Feindseligkeit vereinen sich gleichermaßen wo immer er hinkommt.
Kulturelle Unterschiede werden deutlich; Türken, die einen zu starkem Tee einladen, während nach der Grenze die Georgier den selbstgebrannten Alkohol kräftig ausschenken. Gleich aber ist die Warnung vor dem jeweils anderen, der Georgier spricht abschätzig von den Türken(und umgekehrt), die Rumänen wiederum von den Bulgaren. Und so weiter. Im Vorfeld wurde ihm vor allen gewarnt, vor allem Rumänien, und entsprechend empfand er gerade hier Land und Leute am überraschend zugänglichsten.
Auch bei dieser nachhaltigsten Reiseform die man sich vorstellen kann, überwindet man Grenzen, aber findet die entscheidenden.
Auch davon handeln seine Vorträge; Reisen im eigentlichen Sinne ist immer wieder auch ein Entdecken und Loslassen. Die Angst vor dem Unbekannten verliert sich beim Kennenlernen, dem sich stellen. Daher würde er auch kontaktscheueren Kandidaten
nicht von so einem Aufbruch abraten. „Gerade drum, man lernt es unterwegs“. Learning by doing.
Der Sinn der Unternehmung und seinem Lebensweg, erschließt sich immer wieder auf seiner größten Weltbegehung und deren Ende.
Tibet stand als Ziel damals am Anfang der Reiseträume, die Realisierung ohne Geld und Zeit zu haben, ließ ihn Verträge kündigen um möglichst bald loszulaufen.
Die letzte Etappe wäre als angesparte Flugreise auch recht ernüchternd ausgefallen.
Ab Tibetischer Grenze war Schluss mit Freiheit.
Hier galt es zum ersten Male richtig zu planen, was er sonst vermeidet, und wird diesmal bereits erwartet.
Er war bisher lieber sein eigener Guide. Unterwegs ließ er sich ja gerne zu einem längeren Stopp oder gar Umweg verleiten. Die angesetzte chinesische Reiseleiterin sollte solch spontane Begegnungen nun tunlichst vermeiden.
Das unterwegs lehren über seine Erfahrungen an Schulen nimmt er von seiner außergewöhnlichsten Tour mit in sein neues Leben. Stephan Meurisch betreibt neben Vorträgen über seine Touren, auch Coaching für andere Lebensreisen. Herbst 2019 wird zudem endlich ein Buch über seine Reise zu Fuß nach Tibet erscheinen.
Auf Touren nimmt er nun auch andere mit, man spürt bereits die ungeduldigen Füße, denn da draußen warten ja noch so viele Geschichten von unterwegs.
Und wenn er wieder zurück kommt und davon erzählt, kommt Lagerfeuerstimmung auf,
bei der man gerne noch Holzscheite nachlegen und zuhören möchte.
